1. Einleitung
Welche Frau kennt das nicht – es brennt und juckt in der Scheide, manchmal kommen außerdem Rötungen, häufiger Harndrang und Schmerzen beim Wasserlassen hinzu. Diese Symptome sind nicht nur unangenehm, sondern auch ein deutliches Zeichen dafür, dass die Scheidenflora, auch Vaginalflora genannt, in ein Ungleichgewicht geraten ist. Dies passiert besonders leicht in den Wechseljahren. In dieser Lebensphase verändert sich die Darmflora, da der Östrogenspiegel absinkt. Die Abwehrfunktion lässt nach, Bakterien, Viren und Pilze haben leichtes Spiel. Oft sind Scheiden- und Schamlippeninfektionen die Folge. – Doch dies muss nicht so bleiben! Denn die Scheidenflora lässt sich wieder aufbauen und stärken – zum Beispiel mithilfe des Einsatzes von Probiotika und Präbiotika.
2. Was ist die Scheidenflora
Die Scheidenflora (auch Vaginalmikrobiom genannt) ist eine komplexe Gemeinschaft von Mikroorganismen. Sie leben in einem empfindlichen Gleichgewicht, welches leicht durcheinandergeraten kann. Dass dies nicht geschieht, ist für die vaginale Gesundheit jeder Frau von großer Bedeutung. Innerhalb des Vaginalmikrobioms ist es besonders die Aufgabe der Milchsäurebakterien (Laktobazillen), die Scheide vor Krankheitserregern zu schützen. Während der Wechseljahre verändert sich das Hormonlevel in der Scheidenflora jedoch. Oft sinkt dann die Anzahl der Laktobazillen und es entsteht ein Milieu, in dem sich schädliche Bakterien wohlfühlen und wachsen. Allerdings können nicht nur die für die Wechseljahre typischen hormonellen Veränderungen die Scheidenflora beeinträchtigen. Auch eine falsche Intimpflege kann dazu führen. Was viele Frauen nicht wissen: Zu seltenes Waschen beeinflusst die Vaginalflora genauso negativ wie eine zu intensive Intimpflege. Parfümhaltige Produkte sollten vermieden werden, Pflegemittel mit stark basischem pH-Wert ebenfalls. Tatsächlich kann schon das Waschen der Unterwäsche mit Weichspüler ausreichen, um das Vaginalmikrobiom negativ zu beeinflussen. Im ersten Moment mag dies vielleicht erschreckend wirken – aber es ist durchaus möglich, die Scheidenflora auch wieder aufzubauen.
3. Hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren
Rückgang des Östrogenspiegels und seine Auswirkungen auf den Körper.
Die Eierstöcke einer Frau produzieren das Sexualhormon Östrogen. Da Eizellen jedoch nicht nachwachsen oder neu gebildet werden, sind sie in den Wechseljahren schließlich aufgebraucht. Die Östrogenproduktion kommt zum Erliegen, die letzte Monatsblutung setzt ein. Dies hat weitreichende Folgen für Scheide und Vulva einer jeden Frau. Der in den Wechseljahren eintretende Östrogenmangel führt zu Gewebeveränderungen. Die Scheidenwand wird dünner, weniger elastisch und anfälliger für Verletzungen.
Veränderungen des vaginalen pH-Werts
Während der fruchtbaren Jahre einer Frau ist die Scheide durch einen sauren pH-Wert vor schädlichen Bakterien und Pilzen gut geschützt. Das ändert sich während der Wechseljahre. Durch den Östrogenmangel bewegt sich der pH-Wert der Scheide in einen nur noch schwach sauren bis neutralen Bereich. Krankmachende Keime können leichter wachsen. Dies hat zur Folge, dass viele Frauen in den Wechseljahren an häufig wiederkehrenden Infektionen, wie etwa der bakteriellen Vaginose leiden. Diese geht häufig einher mit einem dünnflüssigen, oft nach Fisch riechenden Ausfluss. Aber auch schmerzhafte pilzbedingte Scheidenentzündungen sind keine Seltenheit. Typische Symptome sind Wundheit und Jucken um die Scheide herum, ein geruchloser Ausfluss sowie Brennen beim Wasserlassen.
Zusammenhang zwischen Östrogenmangel und vaginaler Trockenheit
In den Wechseljahren nehmen bei vielen Frauen die Beschwerden im Genitalbereich zu. Die Östrogen-Rezeptoren im Bereich des Beckenbodens und der Scheide werden nicht mehr wie zuvor ausreichend durch Östrogen aktiviert. Dadurch verlangsamt sich die Zellerneuerung. Die Schleimhäute werden schlechter aufgebaut, die Scheidenwände werden zunehmend dünner, trockener und weniger elastisch. Oft klangen Frauen dann über Jucken und Brennen in oder an der Scheide, über Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, weniger sexuelle Lust und einen veränderten Ausfluss.
4. Wie beeinflussen die Wechseljahre die Scheidenflora?
Mit dem Absinken des Östrogenspiegels nimmt auch die Menge an Glykogen ab, was sich negativ auf das Wachstum der nützlichen Laktobazillen in der Scheide auswirkt. Normalerweise sorgen diese für ein gesundes, saures pH-Milieu in der Vagina. In den Wechseljahren verändert sich dies. Pathologische Bakterien und Pilze können nicht mehr wirkungsvoll abgewehrt werden. Es entsteht eine sogenannte Dysbiose, also ein Ungleichgewicht der Bakterien in der Scheide. Die Folge sind häufig Infektionen und Entzündungen, wie etwa bakterielle Vaginosen, aerobe Vaginitis und Pilzinfektionen.
Zusammenhang zwischen Scheidenflora, Immunsystem und Wohlbefinden
Die Scheidenflora hat einen sehr großen Einfluss auf den gesamten Körper einer Frau und auf deren Wohlbefinden. Leider ist dies noch immer ein Thema, über das viel zu selten gesprochen wird. Ist die Scheidenflora aus dem Gleichgewicht geraten, so wirkt sich dies negativ auf das Immunsystem aus. Umgekehrt kann ein starkes Immunsystem vor Entzündungen und Infektionen bewahren. Deshalb ist es für jede Frau, ganz besonders aber für solche in den Wechseljahren, überaus wichtig, auf den eigenen Körper zu achten, Anzeichen eines Ungleichgewichts der Scheidenflora zu erkennen und ernst zu nehmen. Denn ein geschwächtes Vaginalmikrobiom lässt sich wieder aufbauen. Die richtige Ernährung, Probiotika, Präbiotika, ausreichend Bewegung und ein gutes Stressmanagement helfen dabei.
5. Häufige Beschwerden durch gestörte Scheidenflora in den Wechseljahren
Eine ins Ungleichgewicht geratene Scheidenflora, wie sie in den Wechseljahren durch den Östrogenmangel oft auftritt, geht meist mit zahlreichen unangenehmen Begleiterscheinungen einher. Hier ein Überblick der Symptome:
Vaginale Trockenheit
Scheidentrockenheit (vaginale Atrophie) in den Wechseljahren ist ein weit verbreitetes Phänomen. Fast jede zweite Frau macht ab dem 45. Lebensjahr Bekanntschaft damit. Häufig führt eine trockene Scheide zu weiteren Beschwerden wie Brennen und Jucken sowie in vielen Fällen auch zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Neben dem sinkenden Östrogenspiegel, der die Rückbildung der Scheidenschleimhaut begünstigt, können aber auch physischer und psychischer Stress sowie eine falsche vaginale Pflege die Ursache für die Trockenheit der Scheide sein. Folgendes hilft:
- östrogenhaltige Präparate wie Zäpfchen und Cremes
Sie wirken direkt über die Vaginalhaut, was eine geringe systemische Aufnahme von Östrogen ermöglicht.
- hormonhaltige Präparate
Teilweise gibt es sie rezeptfrei in der Apotheke. Dennoch sollte die Einnahme zuvor unbedingt mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden.
- Entspannung
Ist die Scheidentrockenheit die Folge von Stress, so kann schon gezielte Entspannung Besserung bringen. Yoga, autogenes Training und Meditation unterstützen dies.
- ausreichend Bewegung
Durch regelmäßige Bewegung wird die Durchblutung des Körpers angeregt, auch die der Scheidenschleimhaut. Das fördert ihre Regeneration.
- Unterwäsche aus Naturfasern
Diese Art Wäsche ist atmungsaktiv und verhindert, dass sich für die Vagina ein zu warmes Klima entwickelt, denn darin fühlen sich schädliche Bakterien wohl. Auf Weichspüler sollte verzichtet werden, denn auch er kann das Vaginalmikrobiom durcheinanderbringen.
Erhöhtes Risiko für bakterielle Vaginose und Pilzinfektionen
Viele Frauen in den Wechseljahren leiden zudem unter häufigen bakteriellen Vaginosen, Pilz- und Harnwegsinfektionen. Dies liegt an dem in dieser Phase weniger sauren Vaginalmilieu, in dem pathologische Bakterien bessere Wachstumsbedingungen vorfinden. Es kommt zu Entzündungen im Scheidenbereich, die häufig begleitet werden von einem intensiv riechenden Ausfluss. Das können Sie dagegen tun:
- Probiotika mit Laktobazillen helfen gegen Scheidenpilz und tragen dazu bei, die Vaginalflora wieder zu stärken.
- Der mit einer bakteriellen Vaginose oft einhergehende Ausfluss lässt sich in der Regel mit speziellen Antibiotika gut behandeln. Dies sollte jedoch immer mit dem Arzt abgesprochen werden, denn eine häufige Einnahme von Antibiotika kann zu Resistenzen führen.
- Kohlenhydrate sollten gemieden werden, da Pilze sie lieben.
6. Möglichkeiten zur Unterstützung der Scheidenflora
Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie das Mikrobiom der Scheide wieder gestärkt und ins Gleichgewicht gebracht werden kann. Hier ein Überblick der häufigsten Behandlungsweisen:
Hormonelle Therapien
Einfache Befeuchtungsmittel, östrogenhaltige Scheidencremes oder Zäpfchen sowie oral verabreichte Hormone oder hormonähnliche Wirkstoffe können dazu beitragen, das Mikrobiom der Scheide wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Einsatz von Probiotika und Präbiotika zur Förderung der Laktobazillen
Bei Probiotika handelt es sich um lebende Mikroorganismen (meist Milchsäurebakterien). Sie stärken die Scheidenflora und verdrängen schädliche Bakterien. Probiotika können als Kapsel eingenommen oder als Zäpfchen vaginal eingeführt werden.
Anders als Probiotika sind Präbiotika keine lebenden Mikroorganismen, sondern unverdauliche Bestandteile von Lebensmitteln. Sie fördern das Wachstum der Laktobazillen im Scheidenmikrobiom und helfen so beispielsweise einer bakteriellen Vaginose vorzubeugen. Bei einer bereits bestehenden Infektion können sie begleitend zu Antibiotika eingenommen werden. Dies sollte jedoch zuvor immer mit dem Arzt abgesprochen werden.
Ernährungstipps
Eine gute und ausgewogene Ernährung hat einen positiven Einfluss auf den gesamten Körper und natürlich auch auf den Zustand der Scheidenflora. Hier eine Übersicht der Dinge, die das Vaginalmikrobiom stärken:
- eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Obst und Gemüse
Sie stärkst das Immunsystem des Körpers. Zudem helfen Früchte mit viel Vitamin E (etwa Mango, Himbeeren, Johannisbeeren) Scheidentrockenheit zu vermeiden.
- gesunde Fette
Sie sorgen für einen konstanten Östrogenspiegel in der Scheide. Gesunde Fette sind zum Beispiel in Olivenöl, Avocados oder Nüssen enthalten.
- Probiotika
Probiotika sind Bestandteil der sogenannten fermentierten Lebensmittel. Dazu gehören unter anderem Joghurt, Kefir, Sauerkraut, saure Gurken und Kimchi. Probiotika enthalten eine Vielzahl lebender Milchsäurebakterien. Die sogenannten Laktobazillen sind wichtig, da sie in der Scheide für die Abwehr von Krankheitserregern sorgen und sicherstellen, dass das Vaginalmikrobiom nicht aus dem Gleichgewicht gerät.
- Präbiotika
Präbiotika unterstützen die Vermehrung von Milchsäurebakterien. Enthalten sind sie beispielsweise in Artischocken, Lauch, Spargel, Chicorée, Erbsen, Knoblauch und Zwiebeln.
- Östrogen-nachahmende Pflanzenstoffe (Isoflavone)
Sie steigern den Östrogenspiegel im Blut und sind in gering verarbeiteten Soja-Produkten wie Tofu, Edamame oder Tempeh zu finden.
- Übermäßiger Zuckergenuss sollte vermieden werden, da Zucker Pilzerkrankungen fördern kann.
Intimhygiene und Pflegehinweise
Um das empfindliche Gleichgewicht der Scheidenflora nicht aus dem Lot zu bringen, ist es wichtig, bei der vaginalen Pflege einige Dinge zu beachten:
- Auf Seife und Duschgels sollten Sie verzichten. Lauwarmes Wasser mit der Hand aufgetragen, das reicht zur Reinigung in der Regel schon aus.
- Pflegeprodukte sollten ausdrücklich speziell für den Intimbereich geeignet und unparfümiert sein.
- Waschlappen besser vermeiden! In ihnen können sich Bakterien festsetzen, die dann in den Intimbereich übertragen werden.
- Das Handtuch muss häufig und regelmäßig gewechselt werden.
- Tragen Sie atmungsaktive Unterwäsche (bei mindestens 60 Grad waschen!) und vermeiden Sie Weichspüler.
- Eine Milchsäurekur (in Form von Vaginalzäpfchen, Tabletten zur oralen Einnahme oder als Gel) kann zusätzlich helfen, die Scheidenflora zu stärken und Infektionen oder Pilzerkrankungen vorzubeugen.
7. Forschung und Ausblick
Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass die unschönen Begleiterscheinungen eines in den Wechseljahren aus dem Gleichgewicht geratenen Scheidenmikrobioms recht gut gemildert und in einigen Fällen sogar behoben werden können. Umso wichtiger ist es, dass die Forschung den Zusammenhang zwischen weiblichem Intimbereich und Hormonen genauer ergründet. Denn leider wird der Frauengesundheit in Deutschland noch immer zu wenig Beachtung geschenkt. Nach wie vor gehen Lehre, Forschung und Versorgung bei ihrer Arbeit vom männlichen „Normkörper“ aus. Dabei werden Frauen häufig einfach nicht mitgedacht – mit fatalen Folgen. Erkrankungen werden oft falsch oder zu spät diagnostiziert. Auch im Jahr 2025 sind wir in Deutschland leider noch weit von einer gendergerechten Medizin und von einer gendergerechten Gesundheitspolitik entfernt. Es wird höchste Zeit, dass sich dies ändert!
8. Fazit
Zwischen den Wechseljahren einer Frau und einer aus dem Gleichgewicht geratenen Scheidenflora besteht ein enger Zusammenhang, daran besteht längst kein Zweifel mehr. Der in dieser Zeit entstehende Östrogenmangel führt bei vielen Frauen zu ernstzunehmenden Beschwerden und Erkrankungen – Scheidentrockenheit, Schmerzen, eine bakterielle Vaginose und Pilzinfektionen gehören dazu. Inzwischen ist unstrittig, dass eine gesunde Scheidenflora einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden einer jeden Frau hat. Aktuelle Forschungen zeigen zudem, dass es möglich ist, das Vaginalmikrobiom wieder ins Gleichgewicht zu bringen, wenn dies wechseljahrbedingt durcheinandergeraten ist. Lebensstiländerungen mit ausreichend Bewegung, ein gutes Stressmanagement, eine ausgewogene, gesunden Ernährung (zum Beispiel mit fermentierten Lebensmitteln) sowie die Einnahme von Pro- und Präbiotika kann ein Übriges dazu beitragen, dass die Beschwerden abgemildert werden. Und wer weiß … Vielleicht gehören Wechseljahrbeschwerden dann in gar nicht allzu langer Zeit der Vergangenheit an.